Gendern oder Nicht-Gendern, das ist hier die Frage

30.05.2021

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Ein aktuelles Thema, welches für reichlich Gesprächsstoff sorgt, ist die Verwendung von gendergerechter Sprache. Wer sich jedoch an die hochsensible Gender-Frage heran wagt, findet sich zumeist inmitten von feindlich gesinnten Positionen wieder.

Denn die gendersensible Sprache ist längst nicht mehr ein Randphänomen im Bereich der Wissenschaft, sondern erhält zunehmend auch Beachtung in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt. Infolgedessen kursieren im Internet unendlich viele Meinungen und Erklärungsversuche zur Gender-Debatte. Dabei lassen sich hauptsächlich drei Vertreter unterschiedlicher Standpunkte bestimmen: Verweigerer, Befürworter und verwirrte Unschlüssige.

Dieser Beitrag richtet sich in erster Linie an Letztere, die sich die Fragen stellen: Warum gendersensible Sprache als wichtig erachtet wird und was letztendlich damit bewirkt werden soll? Welche Unterschiede hinsichtlich der verschiedenen Gender-Formen existieren? Und welche Schreibweise besonders empfehlenswert ist, wenn die gendersensible Sprache in Texten berücksichtigt werden soll.

Wie bei fast allen Dingen ergeben sich auch durch das Gendern sowohl Vor- als auch Nachteile. Wer sich besonders für das Für und Wider der gendersensiblen Sprache interessiert, erhält in diesem Video eine simple und neutrale Erklärung aus der Sicht einer Wissenschaftskommunikatorin.

Warum Gendern?

Vater und Sohn fahren im Auto. Sie erleiden einen schweren Unfall und werden verletzt. Beide werden in ein Krankenhaus eingeliefert, in welchem ein renommierter Chirurg tätig ist. Während alle Vorbereitungen für die OP des Jungen laufen, erscheint der Chirurg, der augenblicklich kreidebleich wird und sagt: „Ich kann nicht operieren, das ist mein Sohn!“

Durcheinander? Der Chirurg ist die Mutter des Jungen (selbstverständlich, könnte der Junge auch zwei Väter haben). Die meisten von uns denken bei dem Wort „Chirurg“ an einen Mann, obwohl das generische Maskulinum (Personen- und/oder Berufsbezeichnung in männlicher Form) Frauen und andere Geschlechtsidentitäten inkludiert. 

Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Sprache in hohem Maße unsere Vorstellungen beeinflusst, sie mit Bildern gleichsetzt und unser Denken prägt. Somit verknüpfen wir Formulierungen im generischen Maskulinum tendenziell eher mit dem männlichen Geschlecht und nehmen sie darüber hinaus auch als repräsentativ und „normal“ wahr.

Das weibliche Geschlecht oder andere Geschlechtsidentitäten werden hingegen unsichtbar gemacht und ausgegrenzt. Mehrere psychologische und sprachwissenschaftliche Studien belegen zudem bereits: Wer lediglich miteinbezogen wird, fühlt sich oftmals nicht explizit angesprochen.

Gründe für gendersensible Sprache

Es gibt gute Gründe und Argumente für den Gebrauch von gendersensibler Sprache. Die Universität Bielefeld hält die aufgeführten Faktoren für besonders relevant:

a) Sichtbarmachung

Mithilfe von gendersensiblen Formulierungen können neben Männern und Frauen, ebenfalls auch andere Geschlechtsidentitäten markiert werden.

b) Anti-Diskriminierung

Sprache verfügt über die Macht auszugrenzen und zu werten. Die Verwendung von gendergerechter Sprache bietet all denjenigen Schutz, die sich nicht in einem starren, binären Geschlechtermodell wiederfinden.

c) Präzisierung

Gendersensible Formulierungen bringen Klarheit und Präzision. Auf diese Weise können Irrtümer vermieden werden, welche beispielsweise bei Berufen wie „Putzfrau“, „Feuerwehrmann“ oder „Hebamme“ entstehen können.

Gender-Befürworter teilen die allgemeine Ansicht, dass eine gendergerechte Sprache in Texten die Gleichberechtigung aller Geschlechter herstellen kann. Denn mithilfe des Genderns werden, sowohl die Leser*innen als auch die Schreiber*innen dazu angehalten, die entsprechenden Sprachhandlungen zu registrieren und ihre Wirkung bewusst wahrzunehmen.

Die unterschiedlichen Formen des Genderns

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten zu gendern, hier werden euch nun gängige Formen der geschlechtersensiblen Sprache präsentiert und erklärt:

a) Die Paarform

Die Paarform gilt als Klassiker unter den Gender-Formen. Dabei wird neben der männlichen Form, auch die weibliche benannt. Die Reihenfolge spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, lediglich eine einheitliche Vorgehensweise sollte bei der Anwendung eingehalten werden.

Diese Form der gendersensiblen Sprache setzt das männliche und weibliche Geschlecht gleich. Allerdings werden andere Geschlechtermodelle nicht berücksichtigt. Diese Gender-Variante eignet sich besonders für Leser und Leserinnen und Schreiber und Schreiberinnen, die kaum Berührung und Erfahrung mit der Gender-Thematik haben. Infolgedessen ist die Paarform ideal für eine ältere und traditionelle Zielgruppe, auch aufgrund ihrer simplen Schreibweise!

Beispiele:

  • Besucher und Besucherinnen
  • Bäuerin oder Bauer
  • Kunden und Kundinnen

 

b) Binnen-I / Schrägstrich

Weitere bekannte Formen des Genderns sind das Binnen-I und der Schrägstrich. Wie bei der Paarform, dienen diese Varianten ebenfalls zur Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Darüber hinaus verlängern sie den Satz nicht durch lange Wortwiederholungen, welche bei der Paarform vorkommen.

Allerdings erweist sich diese Form der gendersensiblen Sprache als recht kompliziert, wenn es darum geht, einzelne Personen zu benennen (z.B. „Bist du die/der Held/in im Freund/innenkreis?“). Ebenso lässt sich diese Variante bei vielen Wörtern nicht grammatikalisch korrekt umsetzen (z.B.: Bauer und Bäuerin „BäuerIn“).

Beispiele:

  • LehrerIn; Lehrer/in
  • FreundInnen; Freund/innenkreis

 

c) Geschlechtsneutrale Formulierung

Eine gute Möglichkeit der gendersensiblen Sprache bieten geschlechtsneutrale Formulierungen, da sie neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht, auch andere Geschlechtsidentitäten berücksichtigen und miteinbeziehen.

Leider gibt es sehr viele Wörter, die keine neutrale Schreibweise ermöglichen. Ebenso wirkt die Anrede dieser Gender-Form recht unpersönlich.

Beispiele:

  • Studierende
  • Leute
  • Personal

 

d) Gender-Gap / Gender-Star

Der Gender-Gap beinhaltet eine Lücke zwischen der weiblichen und der männlichen Form. Somit werden die unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten jenseits des binären Geschlechtermodells sichtbar gemacht und die traditionellen Vorstellungen der Geschlechterrollen aufgebrochen.

Vergleichbar zum Gender-Gap symbolisiert das Gendersternchen die Geschlechtervielfalt mithilfe seiner Zacken, die in verschiedene Richtung zeigen.

Nachteile dieser Gender-Formen sind, neben der Tatsache, dass sie nicht den aktuellen amtlichen Rechtschreibregeln entsprechen, ihre oftmals komplexen grammatikalischen Schreibweisen, die einen Text unübersichtlich erscheinen lassen können.

Die unterschiedlichen Schreibweisen des Gender-Gap:

  • Unterstrich: Freund_in
  • Sternchen: Freund*in
  • Doppelpunkt: Freund:in
  • Mediopunkt: Freund·in
  • Punkt: Freund.in
  • Kodierungszeichen: Freund’in

 Die „grammatikalische Regeln“ des Gender-Gap:

  • Ein*e Student*in
  • Der_die Interessent_in
  • Lehrer_innen

Die beste Gender-Form

Bei diesen vielen Möglichkeiten liegt es nahe zu fragen, welche Gender-Form nun die „beste“ und empfehlenswerteste ist? Die Antwort ist womöglich ernüchternd, denn es gibt derzeit nicht die ideale Gender-Form. Alle Varianten haben sowohl ihre Vor- als auch ihre Nachteile.

Eins ist sicher: Sprache unterliegt einem stetigen Wandel. Wir nutzen im Jahr 2021 Wörter, wie beispielsweise „Social Distancing“, „Lockdown“ und „Gendersternchen“, die vor einigen Jahren noch gar nicht existierten. Somit passen wir unsere Sprache kontinuierlich den Ereignissen unserer Welt an. Dies lässt auch auf eine Sprache, die alle Geschlechter berücksichtigt, hoffen.

Fazit

Wo setze ich nochmal den Unterstrich? Und welche Gender-Formen schließen alle Geschlechter mit ein? Keine Panik! Für die meisten von uns sind Sternchen & Co ungewohnt und stellen zunächst eine Herausforderung dar.

Beim Gendern geht es weder darum, alles zu wissen, noch alles korrekt anzuwenden. Vielmehr will gendersensible Sprache auf die Gleichwertigkeit von Menschen aufmerksam machen und eine Möglichkeit schaffen, unterschiedliche Geschlechtermodelle mit einzubeziehen, statt sie nur „mitzumeinen“.

Ein Bewusstsein dafür zu erhalten ist der Schritt zur Veränderung! Dennoch entscheidet jeder für sich selbst, ob er oder sie letztendlich sich auf gendersensible Sprache einlässt – oder nicht. Welche Gender-Form verwendet wird, ist dabei nebensächlich.
Dein Interesse wurde geweckt? Die Trickkiste der Universität Bielefeld stellt viele unterschiedliche Umformulierungen für eine geschlechtsneutrale Ausdrucksweise vor!

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