Sachverständigenrat veröffentlicht Gutachten 10.11.2017
Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem kräftigen Aufschwung – und davon profitiert auch die Zeitarbeitsbranche. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung veröffentlichte jetzt sein Jahresgutachten dazu.
Der Rat rechnet demnach mit Zuwachsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von zwei Prozent im Jahr 2017 und 2,2 Prozent 2018. Das Wachstum ist somit höher als das Potenzialwachstum von 1,4 Prozent. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Überauslastung. Für den Euro-Raum wird ein Wachstum des BIP von 2,3 Prozent 2017 und 2,1 Prozent im Jahr 2018 prognostiziert.
Beste Chancen
„Die gute konjunkturelle Lage bietet beste Chancen für eine Neujustierung der Wirtschaftspolitik, um Deutschland auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten“, sagt der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Christoph M. Schmidt, bei der Präsentation.
Spielräume
Der deutliche Haushaltsüberschuss, so die Pressemitteilung des Sachverständigenrats, eröffnet Spielräume für wachstumsfreundliche Reformen. Mit einer Tarifreform der Einkommensteuer sollten Mehreinnahmen aus der Kalten Progression zurückgegeben werden, abgestimmt mit einer allmählichen Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung könne um bis zu 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Sicherstellung der Tragfähigkeit solle weiterhin hohe Priorität besitzen.
Work-Life-Balance
Um das Arbeitskräftepotenzial zu erhöhen und einem Fachkräfteengpass entgegenzuwirken, sollten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Möglichkeiten zur Erwerbsmigration für beruflich qualifizierte Fachkräfte verbessert werden. Die Arbeitnehmer sollten durch Bildung und Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt und den Strukturwandel besser befähigt werden. Eine Digitalisierungskommission solle innovationshemmende Regulierungen auf den Prüfstand stellen und Reformbedarf identifizieren.
Zertifikatehandel
Um die Treibhausgasemissionen effektiv zu senken, sollte ein einheitlicher CO2-Preis die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme gleichermaßen zur Emissionsvermeidung heranziehen. Die Bundesregierung sollte darauf hinwirken, den europäischen Zertifikatehandel auszubauen und alle Emittenten und Sektoren des Endenergieverbrauchs einzubeziehen.
Geldpolitik
Mit der jüngsten Verlängerung des Anleihekaufprogramms der EZB nehme der Expansionsgrad der Geldpolitik weiter zu. Angesichts der höheren Wachstums- und Inflationsraten bei steigenden Risiken für die Finanzstabilität sollte die EZB eine Strategie für die geldpolitische Normalisierung veröffentlichen und die Anleihekäufe früher beenden. Empfohlen werde zudem, dass der EZB-Rat seine Forward-Guidance-Kommunikation ausbaue, um die Erwartungsbildung zu erleichtern und die Wirksamkeit der Geldpolitik zu erhöhen.
Defizitregel
Zur Stärkung der Architektur der Europäischen Währungsunion könne das komplexe fiskalische Regelwerk auf zwei Regeln vereinfacht werden: eine Ausgabenregel als jährliches und eine strukturelle Defizitregel als mittelfristiges Ziel. Eine Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus dürfe ihn auf keinen Fall in einen Transfermechanismus verwandeln. Vielmehr solle er im Rahmen eines Mandats zur Krisenprävention eine Überwachungsfunktion wahrnehmen. Die Schaffung einer Fiskalkapazität im Euro-Raum oder einer europäischen Arbeitslosenversicherung sei nicht erforderlich.
Bankenunion
Wesentlich sei zudem die Vervollständigung der Banken- und Kapitalmarktunion. Eine weitere Risikoteilung sei erst nach einer Risikoreduktion in Betracht zu ziehen. Hierzu müsse der Abbau der notleidenden Bankkredite weiter rasch vorangetrieben werden. Lücken im europäischen Abwicklungsregime müssten geschlossen werden, sodass eine Verlustbeteiligung von nach- und vorrangigen Gläubigern nicht umgangen werden könne.
Handelssystem stärken
Die Globalisierung habe weltweit zu großen Effizienz- und Wohlfahrtssteigerungen geführt. Die neue Bundesregierung solle daher Rufen nach protektionistischen Maßnahmen entschieden entgegentreten. Dazu sollten das multilaterale Handelssystem gestärkt und weitere Freihandelsabkommen abgeschlossen werden.
Quelle: IGZ
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